Egal wie vorsichtig man ist und wie gut man auf seinen Vierbeiner aufpasst, Unfälle lassen sich manchmal einfach nicht vermeiden. Dabei kann es sich bereits um einen scheinbar harmlosen Insektenstich im Garten handeln, der zu einer allergischen Reaktion führen kann oder um eine Begegnung mit einem anderen Tier, die eher weniger freundlich vonstattenging. Du merkst also, es gibt viele Alltagssituationen, die sich schnell zu Notsituationen entwickeln können.
In vielen Fällen kann man selbst erste Hilfe leisten, um die Notfallsituation bestmöglich zu kontrollieren, sodass man es zur nächstgelegenen Tierklinik oder zum Tierarzt schafft. Selbstverständlich muss man dafür wissen, welche Situationen als Notfälle gelten und worauf man achten muss, um einen Notfall entsprechend zu erkennen.
In Notfallsituationen darf nicht gezögert werden
Eine gesundheitliche Notsituation lässt sich daran erkennen, dass sofortiges Handeln ohne zu zögern notwendig ist, da Leib und Leben des Hundes gefährdet sind. Jede Sekunde zählt.
Allergische Reaktionen, Hitzeschläge, Magendrehungen, offene Wunden und Brüche, Vergiftungen und Schockzustände zählen zu den am häufigsten vorkommenden medizinischen Notfällen bei Hunden und müssen schnellstmöglich behandelt werden.
TAPS Schema um den Gesundheitszustand des Tieres zu beurteilen
In einer Notfallsituation ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch wenn es schwerfällt solltest du versuchen, so ruhig wie möglich zu bleiben, um die Vitalfunktionen des Hundes ermitteln und sie mit den Normwerten vergleichen zu können. Außerdem hilfst du damit auch deinem Vierbeiner, ruhig zu bleiben anstatt in Panik zu verfallen.
Um für den Notfall ideal vorbereitet zu sein empfiehlt es sich, die nötigen Handgriffe zum Ermitteln der Vitalfunktionen bereits daheim in einer entspannten Situation mit deinem gesunden und unverletzten Hund zu lernen und zu üben, bis du sie komplett verinnerlicht hast. So schaffst du es auch in einer Stresssituation, deinem Vierbeiner zu helfen.
Die Abkürzung TAPS, welche sich leicht zu merken ist, leitet sich von den Anfangsbuchstaben der Wörter Temperatur, Atmung, Puls und Schleimhäute ab.
Temperatur: Bei Hunden lässt sich die Körpertemperatur leider ausschließlich rektal messen. Ein gesunder Hund hat eine durchschnittliche Körpertemperatur zwischen 37,5 und 39°C. Es ist ebenfalls möglich, dass es ohne Erkrankung des Hundes zu einer höheren Körpertemperatur kommen kann, wenn er in dem Moment sehr aufgeregt oder nervös ist.
Atmung: Zwischen 10 und 30 Atemzügen pro Minute ist der Regelwert für einen gesunden Hund im Alltag. Dabei ist die einfachste Art und Weise die Atmung zu überprüfen, auf die Bewegung des Brustkorbs zu achten. Es sollte deutlich erkennbar sein, wie er sich hebt und wieder senkt. Falls die Atmung des Tieres bereits sehr schwach ist, ist es möglich, dass die Bewegung des Brutkorbes nur noch sehr schwer zu erkennen ist, da er sich kaum noch hebt und senkt. Sollte dies der Fall sein, kannst du einen Spiegel, Handy oder sogar eine Brille zu Hilfe nehmen und vor die Schnauze des Hundes halten. Falls das Glas beschlägt, ist es ein Zeichen dafür, dass das Tier noch atmet.
Puls: Der Herzschlag des Hundes bringt das Blut in seinem Körper zum Zirkulieren, sodass wir den Puls erfühlen können. An der linken Brustwand des Hundes, ungefähr auf der Höhe des Ellenbogens kann man den Herzschlag am leichtesten ertasten. Um den Puls zu erfühlen eignet sich die Mitte der Innenseite des Oberschenkels am besten. Der Normwert kann von der Rasse und Größe des Vierbeiners abhängig geringfügig abweichen. Er liegt jedoch in der Regel zwischen 80 und 120 Herzschlägen pro Minute.
Schleimhäute: Die Schleimhäute geben uns ebenfalls wichtige Informationen über den Gesundheitszustand unseres tierischen Patienten. Vor allem der Zustand des Kreislaufs lässt sich durch Veränderungen der Schleimhaut einschätzen. Dabei werden meist die Maulschleimhaut und auch die Bindehäute in Betracht gezogen. Bei einem gesunden Hund, dessen Vitalfunktionen sich innerhalb der Normwerte halten, sollte die Maulschleimhaut rosa sein. Die kapillare Füllungszeit, kurz KFZ, wird ebenfalls beurteilt. Wenn man mit dem Finger auf die Maulschleimhaut drückt, sollte diese innerhalb von 2 Sekunden nach dem Loslassen wieder ihre normale Farbe zurückerlangen, indem das durch den Druck entwichene Blut wieder zurück an seinen Platz strömt. Bei auffälligen Farben der Maulschleimhaut wie zum Beispiel blass bis weißlich, bläulich, stark gerötet oder sogar gelblich sollte zeitnah gehandelt werden. Auch eine verzögerte kapillare Füllungszeit kann auf einen Kreislaufschock und damit raschen Handlungsbedarf hindeuten.
Was tun bei Atem- und Herzstillstand?
Falls du beim Überprüfen der Vitalfunktionen des Hundes weder seine Atmung noch seinen Herzschlag finden kannst, musst du umgehend mit den Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen, um die Sauerstoffversorgung der lebenswichtigen Orange schnellstmöglich wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten. Dabei kann dir das ABC-Schema helfen: Airways (Atemwege freimachen), Breathing (Beatmung durchführen), Circulation (Blutzirkulation wiederherstellen).
Airways/Atemwege freimachen: Der erste und dementsprechend wichtigste Schritt der Wiederbelebungsmaßnahmen. Dabei öffnet man die Schnauze des Tieres und zieht die Zunge nach vorn. Außerdem überprüft man den Rachen um sicherzugehen, dass er frei von Fremdkörpern, Erbrochenem oder Schleim ist, welcher die Atmung behindern könnten.
Breathing/Beatmung durchführen: Nachdem du festgestellt hast, dass die Atemwege nicht blockiert sind, kann mit der Beatmung begonnen werden indem du die Schnauze des Hundes schließt und seinen Kopf nach hinten streckst. Aus hygienischen Gründen kannst du gegebenenfalls ein dünnes Stück Stoff oder ein Tuch über die Nase des Tieres halten, um es nun durch die Nase zu beatmen. Dies geschieht zweimal direkt hintereinander. Der Brustkorb des Vierbeines zeigt dir dabei, ob du mehr oder weniger Druck bei den Beatmungsstössen anwenden musst.
Circulation/Blutzirkulation wiederherstellen: Ohne Puls und dementsprechend ohne Herzschlag, kann das Blut im Körper des Hundes nicht zirkulieren, sodass die Organe kein Sauerstoff mehr erhalten. Um ein kollektives Organversagen zu vermeiden, muss die Sauerstoffzufuhr weiterhin gewährleistet werden. Dafür eignet sich die Herzdruckmassage. Dafür muss man das Tier auf die rechte Seite legen, um freien Zugriff auf die linke Körperseite zu haben, wo sich das Herz befindet. Anschließend legt man ungefähr auf der Höhe des Ellenbogens beide Hände flach übereinander auf den Brustkorb. Achte darauf, beide Arme durchgestreckt zu halten und nicht zu beugen. Anschließend übst du zehn Mal Druck auf das Herz aus. Danach wiederholst du den Schritt B für „Beatmung“, sodass sich ein fließender Rhythmus zwischen Beatmung und Herzdruckmassage ergibt: 10 Mal Herzdruckmassage, 2 Mal Beatmung, 10 Mal Herzdruckmassage, 2 Mal Beatmung und so weiter. Bei kleinen Hunderassen braucht man teilweise auch nur eine Hand oder bei ganz kleinen Exemplaren sogar nur 2 Finger für die Herzmassage zu benutzen.
Die Wiederbelebungsmaßnahmen solltest du für ein Minimum von zehn Minuten, bis der Tiernotdienst eingetroffen ist oder der Hund selbst wieder anfängt zu atmen – je nachdem welcher Fall zuerst eintritt – durchführen.
Essenzielle Hinweise für Notfallsituationen
Wie bereits erwähnt: In der Ruhe liegt die Kraft. Egal wie nervös man selbst ist, als Menschen sind wir die rationalen Entscheidungsträger und das Leben unserer Hunde hängt in solchen Situationen von unseren Entscheidungen und Handlungen ab.
Ebenfalls sollte man überstürztes Handeln vermeiden und zuerst die eigene Sicherheit sicherstellen. Dazu gehört beispielsweise, gegebenenfalls einen Maulkorb oder Schnauzverband anzulegen bevor man einem Hund hilft, der aufgrund einer Verletzung große Schmerzen hat, da er im Zweifelsfall aus reiner Panik und Verzweiflung heraus um sich beißen könnte.
Da gute Vorbereitung auch bei Notfällen einen maßgeblichen Unterschied macht ist es wichtig, stets Telefonnummern, Namen und Adressen von Tierärzten, Tierklinik und Tiernotdienst griffbereit zu haben. So kann man im Vorfeld anrufen, um sicherzustellen, dass jemand verfügbar ist, der dem Tier helfen kann. Außerdem erhält man bereits während des Anrufs wichtige Anweisungen, um den Gesundheitszustand des Vierbeiners zu kontrollieren.
Die am meisten vorkommenden Notfälle auf einen Blick zusammengefasst
Hitzeschlag: Wie der Name es bereits sagt, handelt es sich dabei um eine Überhitzung des Kreislaufsystems des Hundes. Die Körpertemperatur kann dabei bis zu 42°C ansteigen und zu einem Kreislaufversagen führen. Die bekanntesten Symptome sind: Apathie (der Hund scheint kaum ansprechbar), übermäßig starkes Hecheln, Erbrechen, eine stark erhöhte Herzfrequenz, gegebenenfalls Krämpfe oder Bewusstlosigkeit. Um Abhilfe zu schaffen, muss der Vierbeiner umgehend aus der Sonne und in den Schatten gebracht werden, wo er langsam und schrittweise abgekühlt wird. Dabei kann man mit nassen Tüchern oder Wasser anfangen zuerst die Pfoten, dann die Beine usw. zu befeuchten, um die Körpertemperatur allmählich zu senken. Vermeide es, den Hund komplett mit kaltem Wasser zu übergießen, um eine eventuelle Schockreaktion des Körpers zu vermeiden.
Allergische Reaktionen: Meist wissen wir von der Existenz besagter Allergien unserer Haustiere gar nichts, bis wir sie plötzlich erleben. Besonders Insektenstiche stehen auf der Liste der am häufigsten vorkommenden Allergien ganz weit oben. Bei Insektenstichen (zum Beispiel Biene oder Wespe), solltest du deinen Hund die kommenden 30 bis 90 Minuten im Auge behalten, um eventuelle Reaktionen zeitnah zu erkennen. Sensibilität bei Insektenstichen äußert sich zum Beispiel durch starke Schwellungen an Kopf und Hals (obwohl das Tier dort nicht gestochen wurde), Nesselsucht, Atembeschwerden, starken Speichelfluss, Erbrechen oder Durchfall, Krampfanfälle, Orientierungslosigkeit oder sogar Bewusstlosigkeit. Falls dir bekannt ist, dass dein Hund allergisch ist oder der Stich im Bereich der Schnauze/Maulhöhle erfolgt ist, solltest du umgehend einen Tierarzt oder eine Tierklinik aufsuchen, ohne die 30-minütige Beobachtungszeit abzuwarten.
Starke Blutungen: Bei massiven Blutungen solltest du zuerst schauen, woher die Blutung kommt, da diese durch den Blutverlust eine akute Gefahr für das Leben deines Hundes darstellen können. Arterielle Blutungen beispielsweise sind hellrot und pulsierend. Venöse Blutungen im Gegensatz sind dunkelrot und haben einen kontinuierlichen Fluss. An den Gliedmaßen kann man solche Blutungen grundsätzlich vorerst mithilfe eines Gürtels etc. abbinden, um sie vorerst zu stoppen, bis man beim Tierarzt angelangt ist. An anderen Körperteilen legen wir dir nahe, einen Druckverband anzulegen.
Magendrehung: Dabei dreht sich der Magen des Tieres einmal komplett um seine Längsachse, was dazu führt, dass sowohl die Speiseröhre als auch der Zwölffingerdarm verschlossen bleiben. Bildlich gesehen kannst du dir das wie bei einer Bonbonverpackung vorstellen. Dadurch, dass sowohl der Ein- als auch der Ausgang verschlossen sind, kann es schnell zu einer Aufblähung durch Gase – aufgrund der Verdauungsprozesse im Magen – kommen, sodass dieser gegen das Zwerchfell drückt. Dies kann wiederum die Atmung erheblich einschränken. Magendrehungen sind vor allem bei sportlicher Überlastung (zum Beispiel beim Schwimmen oder Joggen) möglich, wenn der Hund kurz vorher gefressen hat. Zu den typischen Symptomen einer Magendrehung zählen starkes Speicheln, allgemeine Unruhe und starkes Hecheln, rasches Aufblähen des Bauches, Atembeschwerden, Würgen und/oder erfolglose Brechversuche bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen.
Vergiftungen: Bei Verdacht auf Vergiftung werden zuerst Körpertemperatur, Schleimhäute und Puls kontrolliert. Vermeide es, deinen Hund zum Erbrechen zu bringen, da es viele Produkte gibt, die eine ätzende Wirkung haben können und aus diesem Grund im Magen weniger Schaden anrichten als in der Speiseröhre. Falls der Hund von selbst erbricht, brauchst du ihn nicht daran zu hindern. Falls du weißt, womit sich der Hund vergiftet haben könnte, solltest du alle Informationen und Daten (was, wieviel und wann es konsumiert wurde) notieren und mit zum Tierarzt nehmen. Zu den gängigsten Symptomen einer Vergiftung gehören starkes Speicheln, Durchfall, Erbrechen, schwankender Gang oder Herz-Kreislauf-Versagen.
Achtung bei massiven Verletzungen und Brüchen
Bei schweren Verletzungen gilt für Hunde dasselbe wie für Menschen: Zuerst muss das Bewusstsein kontrolliert werden. Dafür kann man das Tier beim Namen rufen und die Augen-, Ohren- und Schwanzreaktion geben Auskunft über seinen Bewusstseinszustand. Auch die anderen Werte der Vitalfunktionen wie Pulsfrequenz, Atmung und Schleimhäute sollten überprüft werden, damit man sich ein Bild über den Allgemeinzustand des Vierbeines machen kann.
Da es sich bei Knochenbrüchen um überaus schmerzhafte Leiden handelt, muss eine tierärztliche Untersuchung und Behandlung so schnell wie möglich durchgeführt werden. Wie bereits erwähnt, sollte jeder Hundehalter auf seine eigene Sicherheit achten und dem verletzten Tier gegebenenfalls einen Maulkorb anlegen.
Brüche sollten idealerweise schnellstmöglich mithilfe eines Verbands und einer provisorischen Schiene (die kann auch selbstgebastelt sein) immobilisiert und stabilisiert werden.
Wissenswertes über Schockzustände beim Hund
Nachdem der Hund einen Unfall erlitten oder sich verletzt hat, kann es sein, dass er sich in einen Schockzustand begibt. Dies kann sogar lebensbedrohliche Folgen haben da die Organe nicht ausreichend mit Blut versorgt werden, um weiterhin funktionstüchtig zu bleiben, was letztendlich zum Organversagen führen kann. Leider ist es teilweise recht schwer zu erkennen, ob der Hund an einem Schock leidet.
Erkennen lässt sich ein solcher Zustand vor allem anhand blasser Schleimhäute und einer verlängerten kapillaren Füllungszeit, welche den Normwert von 2 Sekunden überschreitet. Die Herzfrequenz und Atmung sollten ebenfalls sicherheitshalber überprüft werden, da ein schneller Puls sowie eine schnelle und flache Atmung auch auf einen Schockzustand des Körpers deuten können.
Probieren geht über Studieren
Wie bereits erwähnt ist es ratsam, das Kontrollieren der Vitalfunktion deiner Fellnasen einer ruhigen und entspannten Situation zu üben. Auf diese Art und Weise machst du dich mit jeglichen Handgriffen vertraut und bist für den Notfall bestens gewappnet, erste Hilfe zu leisten. Außerdem solltest du es in Betracht ziehen, stets ein kleines Erste-Hilfe-Set für deinen Hund dabeizuhaben.