Ob Erdbeben, Lawinenunglück, Tsunami oder Bombenanschlag – im Katastrophenfall vollbringen ausgebildete Rettungshunde wahre Wunder. Dass die Vierbeiner zu echten Profis ausgebildet werden, um bei der Suche nach vermissten oder verschütteten Personen zu helfen, scheint uns heute eine Selbstverständlichkeit. Doch das war nicht immer so.
Barry: Der erste Rettungshund
Ihren Anfang nahm die Geschichte der Rettungshunde in den Schweizer Alpen. Hier lebte Anfang des 19. Jahrhunderts der Bernhardiner Barry.
Er war von Mönchen aufgezogen worden und hatte die Angewohnheit, im Falle von Schneestürmen und Lawinenabgängen orientierungslose oder verschüttete Menschen aufzuspüren und in Sicherheit zu bringen.
Über einen Zeitraum von zwölf Jahren soll Barry über 40 Leben gerettet haben und wurde so zum Pionier der Rettungs- und speziell der Lawinenhunde. Heute sind in der Schweiz über 100 Labradore, Border Collies und Schäferhunde als Lawinenhunde im Einsatz.
Der Hund als Kriegsheld
Zur Professionalisierung der Rettungshunde trugen in erster Linie die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts bei. Erste Versuche, Hunde für Botengänge und Suchaktionen auszubilden, gab es beim deutschen Militär jedoch schon 1885. Zudem wurde mit der Gründung des „Deutschen Vereins für Sanitätshunde“ im Jahr 1893 ein wichtiger Meilenstein für die weitere Entwicklung des Rettungshunde-Wesens gelegt.
Der Verein setzte sich theoretisch und praktisch mit der Erziehung und Schulung von Rettungshunden auseinander. Eine erste Gelegenheit, sich zu beweisen, erhielten die Vierbeiner im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05. Die Hunde machten ihre Arbeit gut, aber erst im Verlauf des 1. Weltkriegs erkannte man europaweit das Potential, das in den Kriegshelden auf vier Pfoten steckte.
Sanitätshunde im Einsatz
Der „Deutsche Verein für Sanitätshunde“ verfügte bei Ausbruch des 1. Weltkriegs über elf ausgebildete Hunde. Deren Aufgabe bestand im Aufspüren verwundeter Soldaten. Besonders bei Dunkelheit oder im Falle eines weitläufigen bzw. unwegsamen Schlachtfeldes kamen die Vierbeiner zum Einsatz. Jeder Hund arbeitete mit einem Führer zusammen und reagierte auf den Befehl: „Such verwundet!“
Die trainierten Sanitätshunde waren zudem in der Lage, auch solche Überlebenden aufzuspüren, die sich aufgrund von Bewusstlosigkeit oder der Art ihrer Verletzung nicht mehr selber bemerkbar machen konnten. Dank ihrer ausgeprägten Sinne gelang es den Sanitätshunden auch schwache Lebenszeichen zu identifizieren, die der menschlichen Wahrnehmung verborgen blieben.
Als für den Militär- und Rettungsdienst geeignete Hunde bewiesen sich in erster Linie sehr robuste Rassen. Zu nennen wären Schäferhunde, Dobermann-Pinscher, Airedale-Terrier und Rottweiler.
Die Geburtsstunde des Trümmerhundes
Am Ende des 1. Weltkriegs hatte sich die Zahl der Militär- und Sanitätshunde von wenigen Dutzend auf einige Tausend erhöht. Im Verlauf des 2. Weltkriegs leisteten bereits mehrere hunderttausend Vierbeiner Dienst für beinahe alle Kriegsparteien. Zudem brachten die Kampfhandlungen 1944/45 eine neue Art Rettungshund hervor: den Trümmerhund.
Anders als auf dem europäischen Festland, konzentrierten sich die Kriegshandlungen in England auf die Städte. Verheerende Luftangriffen legten ganze Straßenzüge in Schutt und Asche. Manch ein Hund ergriff die Initiative und zeigte den Überlebenden an, wo in den Trümmern verletzte oder hilflose Personen lagen. Daraus entstand in Großbritannien erstmals die Idee, die Vierbeiner gezielt bei der Suche nach Verschütteten einzusetzen.
Zivile Rettungshunde
Auch nach 1945 dienten vor allem Sanitätshunde weiterhin im Krieg, so etwa in Vietnam. Gleichzeitig rückte ihre zivile Nutzung in den Vordergrund. Es entstanden Ausbildungsprogramme und Vereine zur Förderung der Rettungshunde; einer der ersten war der 1972 gegründete „Schweizerische Verein für Katastrophenhunde“. Heute existieren im deutschsprachigen Raum dutzende von Rettungshundestaffeln, die von privaten, gemeinnützigen oder staatlichen Stellen unterstützt werden.
Auch Polizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) arbeiteten ab den 1960er Jahren verstärkt mit Hunden zusammen. Suchaktionen, die mit Unterstützung von Flächen- und/oder Trümmersuchhunden durchgeführt wurden, erhielten die Bezeichnung „Biologische Ortung“. Diese ergänzte oder ersetzte die Suche mittels technischer Geräte und wurde im großen Umfang erstmals in Erdbebengebieten, etwa 1977 im rumänischen Vrancea, durchgeführt.
Gefeierte Helden
In der jüngeren Geschichte haben sich vor allem die Rettungshunde des 11. Septembers 2001 einen Namen gemacht. Nach den Terroranschlägen suchten etwa 300 von ihnen das riesige Trümmerfeld des World Trade Centers nach Überlebenden ab. Der letzte von ihnen – die Hündin Bretgane – starb 2018.
Einzelne Rettungshunde, darunter Barry, der erste Lawinenhund, haben es in die Geschichtsbücher geschafft. Auch ein Denkmal wurde dem Bernhardiner errichtet. Besuchen kannst Du es auf dem französischen Tierfriedhof „Cimetière des Chiens“.
Der amerikanische Militär- und Sanitätshund Stubby bekam im 1. Weltkrieg sogar den Dienstgrad eines Sergeant verliehen. Und mit „Sgt. Stubby: An American Hero“ wurde dem Bullterriermischling 2018 ein Animationsfilm gewidmet.
Die Rettungshunde Barry, Stubby und Bretgane werden nicht die letzten sein, die in die Geschichte eingegangen sind. Heutzutage sind weltweit tausende vierbeiniger Helden im Einsatz und beweisen ein ums andere Mal, dass der Hund tatsächlich der beste Freund des Menschen ist.